Deutschland (2018)
Der Historiker Christopher Clark begibt sich auf der Suche nach den Spuren jüdischer Geschichte auf eine Reise von Jerusalem zu den Zentren jüdischen Lebens in Europa. Nach der Zerstörung des jüdischen Tempels durch die Römer und dem Verlust der Heimat wird die Tora, die Heilige Schrift, zum Zentrum jüdischer Identität auf der Wanderschaft. Sie wird "zum portativen Vaterland", wie Heinrich Heine sagte, eine Heimat zum Mitnehmen. Mit Christopher Clark unternimmt der Film eine Reise zu den Zentren jüdischen Lebens in Europa. Als das Römische Reich im 4. Jahrhundert christlich wird, siedeln Juden schon überall auf dem Kontinent. Vor allem in Sepharad, der Iberischen Halbinsel, und in Aschkenas - hebräisch für die deutschsprachigen Länder. Viele Herrscher, auch Karl der Große, stellen jüdische Bewohner als gleichwertige Bürger unter ihren Schutz. Zwei Dinge tragen dazu bei, dass diese Haltung im Verlauf des Mittelalters in offene Feindseligkeit umschlägt. Zum einen das Entstehen von christlichen Handwerkszünften, zu denen Juden nicht zugelassen sind. Zum anderen das Zinsverbot für Christen, das es untersagt, anderen Christen gegen Zinsen Geld zu verleihen. Aus den meisten Berufen per Gesetz verdrängt, nutzen Juden häufig diese Nische und werden Geldverleiher. So kommt das Feindbild vom "geldgierigen Juden" in die Welt. Zur großen Zäsur für die Juden Europas werden die Kreuzzüge. Beim Durchzug der Kreuzfahrerheere kommt es zu schweren Judenverfolgungen in Frankreich und Deutschland. Es sind die ersten organisierten Pogrome des Abendlandes. Trotz aller Schutzbemühungen der Kaiser verschlimmert sich die Lage der Juden in Zentraleuropa. Gründe, die Juden zu verfolgen, gibt es aus christlicher Perspektive genug: Die Juden gelten als Christus-Mörder. Sie assimilieren sich nicht und halten stattdessen an ihrer Religion fest. Immer häufiger müssen sie als Blitzableiter für Krisensituationen herhalten. Vor allem, als 1347 die Pest ausbricht, die innerhalb von knapp zehn Jahren ein Drittel der europäischen Bevölkerung dahinrafft. Angeblich haben Juden die Brunnen vergiftet. Ein tödliches Gerücht. Es hat die größte Verfolgungs- und Vernichtungsaktion in der Geschichte der Juden vor der Schoah zur Folge. 1492 werden die sephardischen Juden aus Spanien vertrieben. Sie ziehen unter anderem in den Maghreb und das Osmanische Reich. Die meisten Aschkenasim suchen in Polen Schutz, wo bald mehr als zwei Drittel aller europäischen Juden leben. In Krakau, Lublin, Lemberg, Vilnius gründen sie ihre Schtetl, in denen sich die typisch osteuropäisch-jüdische Kultur herausbildet. Aber die Mehrheit der Juden ist im 18. Jahrhundert arm. Die Ghettos sind überfüllt. Hoffnung auf Besserung für die Lage der jüdischen Mehrheit bringt die Französische Revolution mit ihren Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Die alte Feudalgesellschaft und ihre Zunftzwänge lösen sich auf. Der große Dichter der Aufklärung, Gotthold Ephraim Lessing, wagt es 1783 zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Theaters, die Figur eines "edlen Juden" auf die Bühne zu stellen: Nathan der Weise. Auch das Judentum selbst wird von den Idealen der Aufklärung erfasst, wie das Beispiel des Philosophen Moses Mendelssohn zeigt. Den einen gilt er als Vorreiter einer jüdischen Emanzipation, den anderen als Verräter an der Religion und traditionellen Lebensweise. Damals kommt es zu einer Aufspaltung des Judentums. In Abgrenzung zu den "Reformjuden" leben Orthodoxe weiter ein Leben, in dessen Zentrum die Tora steht. Bis heute leben in der ganzen Welt Nachkommen dieser auf Tradition und die Ursprünge hin orientierten orthodoxen Juden. Die Emanzipation der Juden, das heißt, die Abschaffung antijüdischer Gesetze, die sich nach den Napoleonischen Kriegen auch in Deutschland langsam durchsetzt, erzeugt neue Konflikte. Viele Bürger fürchten die Konkurrenz durch die Juden, die jetzt erstmals Zugang zu allen Berufen und Ämtern haben. Zudem fördert der aufkeimende Nationalismus antisemitische Tendenzen. Die Zugehörigkeit zur Nation wird weniger kulturell als völkisch interpretiert, als eine Sache des "Blutes". Dadurch werden Juden aufs Neue ausgegrenzt. Das muss auch der junge Theodor Herzl, Sohn einer säkularisierten jüdischen Familie aus Ungarn, erfahren. Von 1894 bis 1895 berichtet er als Korrespondent einer Wiener Zeitung über den Prozess gegen den jüdischen Hauptmann Dreyfus, der unschuldig wegen Landesverrats zu lebenslanger Haft verurteilt wird. Die antisemitische Hetze und Ausschreitungen gegen Juden, die den Prozess begleiten, lassen Herzl zu dem Schluss kommen, dass Vernunft und Assimilation gegen Judenhass wirkungslos sind. Nur in einer jüdischen Nation können sie unbehelligt leben. Der Zionismus ist geboren. Die Mehrzahl der deutschen Juden steht dem Zionismus skeptisch gegenüber. Sie wollen lieber in ihrem Deutschland bleiben. Sie sind der festen Überzeugung, dass es möglich ist, einfach Deutscher zu sein - und Jude. Ein Traum, der für sie im deutschen Kaiserreich nahezu in Erfüllung gehen wird.
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