Precht, Frustrierte Gesellschaft - wie Gefühle die Politik bestimmen

Sendezeit: 23:45 - 00:30, 27.10.2024
Genre: Gespräch
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Deutschland (2024) Unerfüllte Hoffnungen erzeugen Enttäuschung und Wut. Wütende Gesellschaften wählen extreme Parteien. Darüber diskutiert Richard David Precht mit der Soziologin Eva Illouz.
In liberalen Gesellschaften vermehren sich nach und nach die Rechte und Freiheiten für die Menschen. Damit steigen auch ihre Ansprüche an sich und die Institutionen. Werden diese nicht erfüllt, kommt es erst zu Enttäuschung, dann zu Neid, Zorn und Wut.
Noch nie hat der Mensch so hohe Erwartungen an sein Leben gestellt wie heute, erklärt Eva Illouz, die sich in ihren Büchern immer wieder mit Gefühlen beschäftigt hat. In Filmen und TV-Shows wird suggeriert, dass wir im Leben alles erreichen können, wenn wir es nur entschieden genug wollen. Bleiben unsere Ansprüche jedoch unerfüllt, hält man sich oft selbst für nicht gut genug und kämpft mit der eigenen Scham. Eine explosive Stimmung, so Illouz. Die Wahrnehmung widersprüchlicher Kräfte, die am modernen Menschen zerren, schlägt in unserer gegenwärtigen Gesellschaft immer schneller um in Wut und Zorn.
Gleichzeitig flüchten sich Menschen immer häufiger in eine Opferrolle. Dabei empfinden wir eine Ohnmacht gegenüber den Umständen, in die wir geworfen sind und die wir nicht zu ändern imstande sind. Wir empören uns dagegen und verlieren das Vertrauen in Regeln, Gesetze und Institutionen. Die Spannung zwischen diesen beiden Polen - zwischen Wut und Opferempfindung - bestimmen unsere modernen Gesellschaften. Die Folge ist laut Eva Illouz die Eskalation der Empfindlichkeiten. Die kleinste Kränkung oder Ungerechtigkeit wird auf eine höhere Ebene transferiert und gewinnt eine Bedeutung, die sich von der ursprünglichen Intention weit entfernt hat.
Einer solchen Gesellschaft, folgert Precht, fehle dann auch die Fähigkeit zur Resilienz. Und wenn sich jeder, der sich kritisch äußert, dafür schämen soll, komme es zur Gegenreaktion. Ist man nicht bereit, sich abkanzeln zu lassen, reagiere man mit einem trotzigen Stolz.
All dies sind Zeichen einer dysfunktionalen Kommunikation, die unsere Gesellschaft unnachgiebiger, aggressiver und auch gewaltbereiter macht.

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